Das OLG Hamm musste folgenden Sachverhalt entscheiden:
Die Käuferin erwarb ein Neufahrzeug mit einer Tageszulassung für € 16.290. Nach einem halben Jahr erfuhr die Käuferin, dass Beschädigungen am Fahrzeug bestehen, die bereits bei der Übergabe des Fahrzeuges bestanden hatten und Folge eines Transportschadens waren. Eine fachgerechte Instandsetzung des Schadens hätte Kosten in Höhe von € 1.950 brutto verursacht ohne dass ein merkantiler Minderwert entstanden wäre. Der Verkäufer bot an, den Schaden nachzubessern. Dies lehnte die Käuferin ab, weil sie zusätzlich eine Kaufpreisminderung begehrte. Sie verlangt vielmehr unter Fristsetzung eine Ersatzlieferung. Diese verweigerte der Verkäufer, so dass die Käuferin vom Vertrag zurücktrat. Hiernach (!) wandete der Verkäufer erstmals im Prozess ein, dass er die gewählte Art der Nacherfüllung aufgrund unverhältnismäßig hoher Kosten verweigert.
Wie hätten Sie entschieden? Hat die Käuferin einen Anspruch auf die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeuges unter Abzug der gezogenen Nutzungen?
Mit Urteil des OLG Hamm vom 21.Juli 2016 – Az.: 28 U 175/15 – wurde zu Gunsten der Käuferin entschieden.
In den Gründen führt das OLG Hamm aus, dass das Wahlrecht der Nacherfüllung nach § 439 BGB nach der gesetzlichen Konzeption dem Käufer zusteht. Hierfür spricht der deutliche Wortlaut des § 439 BGB. Dadurch dass ein Verkäufer dem Käufer eine Art der Nacherfüllung anbietet, gerät dieses Wahlrecht nicht in Verlust. Auch war zu erkennen, dass die Käuferin das Angebot des Verkäufers ablehnte. Daher ist auch keine Einigung – keine besondere schuldrechtliche vertragliche Änderung – zwischen den Streitparteien getroffen worden, so dass lediglich zu prüfen ist, ob die von der Käuferin gewählte Art der Nacherfüllung möglich ist oder nicht.
Dem Verkäufer war es möglich ein mangelfreies Neufahrzeug mit der geschuldeten Ausstattung zu beschaffen.
Die Tatsache, dass der Verkäufer die gewählte Art der Nacherfüllung nach § 439 Absatz 3 BGB verweigern kann, wenn die Kosten unverhältnismäßig hoch sind, lässt dennoch keine andere Entscheidung zu. Denn im zu entscheidenden Fall hat der Verkäufer dieses Argument erst erhoben, nachdem die Käuferin bereits den Rücktritt erklärte. Durch diese Erklärung entfällt der Nacherfüllungsanspruch der Käuferin, da sie ja nun nicht mehr die Nacherfüllung, sprich ein mangelfreies Neufahrzeug, sondern schlichtweg den Kaufpreis möchte. Der Verkäufer war also zu spät!
Im Übrigen hätten die Kosten der Mängelbeseitigung lediglich 12% des Kaufpreises betragen. Die Unverhältnismäßigkeit der Kosten kann ab 20% angesehen werden.
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