OLG Stuttgart, Beschluss 3.August 2021 – Az.: 4 Rb 12 Ss 1094/20
Es blitzt am Straßenrand und ein paar Wochen später folgt die „böse“ Post. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde deutlich überschritten. Es drohen ein Bußgeld, Fahrverbot und Punkte in Flensburg. Die Überprüfung der Messung durch die Verteidigung setzt sodann voraus, dass die Akteneinsicht umfassend gewährt wird. Hierzu gehörden grundsätzlich alle (!) wesentlichen Tatsachen, die für die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung durch die Messanlage erforderlich sind.
Fraglich war es, ob dem Betroffen die Einsicht nur in seine eigene Messung gestattet werden muss oder ob die Einsicht sich auf die gesamte Messreihe bezieht. Der Begriff der Messreihe beschreibt sämtliche am Messort vorgenommenen Messungen der jeweiligen Kraftfahrzeuge, welche sodann mit der individuellen Messung verglichen werden können. Dies erlaubt es sodann einem Sachverständigen Unregelmäßigkeiten bei der Messung festzustellen, das letztlich ohne einen Blick auf die gesamte Messreihe kaum möglich ist.
Es ist daher zu erkennen, dass die Einsicht in die Messreihe mit dem Akteneinsichtsrecht des Betroffen im Einklang steht und insbesondere dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des faires Verfahrens entspricht. Individualisierende Daten Dritter, welche eventuell durch die Einsicht der ganzen Messreihe identifiziert werden könnten, können anonymisiert werden.
Voraussetzung ist jedoch, dass möglichst frühzeitig im Bußgeldverfahren die Einsicht in die ganze Messreihe beantragt wird und auch im Verfahren nach § 62 Abs.1 OWiG weiterverfolgt wird.
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