Beschluss des OLG Stuttgart vom 8.Oktober 2019, Az.: 2 RVs 36 Ss 469/19
Das Oberlandesgericht hat ein Urteil des Jugendrichters des AG Geislingen an der Steige mit all seinen Feststellungen aufgehoben und an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Nach dem Urteil des Amtsgericht wurde der Angeklagte wegen versuchtem unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verurteilt. Er sollte 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft ein Drogenscreening durchführen.
Gegen das Urteil erhoben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der Revision. Beide beantragten, das Urteil aufzuheben.
Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass der Angekagte zweifelsfrei zu bestrafen sei. Zu diesem Ergebnis kam das Amtsgericht nach der Beweisaufnahme. In der Beweisaufnahme wurde u.a. festgestellt, dass an den Angeklagten eine Briefsendung adressiert war, in welcher Betäubungsmittel enthalten waren. In der Beweisaufnahme wurde das Wirkstoffgutachten eingeführt, so dass sicher gesagt werden konnte, dass es sich um Betäubungsmittel handelte. Das Postfach, an welches diese Sendung adressiert war, konnte dem Angeklagten zugeordnet werden, da es sich um sein Postfach handelt. Eine unverlangte Zusendung sei auszuschließen, da mit der Briefsendung 102,13 Gramm Marihuana versendet wurde. Die Menge spricht gegen eine unverlangte Zusendung.
In subjektiver Hinsicht konnten keine Feststellungen getroffen werden. Der Angeklagte schwieg.
Zu den Feststellungen des Amtsrichters führt das OLG Stuttgart wie folgt aus:
Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, wenn sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Die zur rcihterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters setzt allerdings, um willkürliche Entscheidungen zu verhindern, eine objektive Grundlage voraus, welche aus rationalen Gründen den Schluss zulässt, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Ein auf die Sachrüge zu beachtender Rechtsfehler liegt vor, wenn eine an sich mögliche Schlussfolgerung nicht ausreichend mit Tatsachen abgesichert ist und daher über einen bloßen Verdacht im Sinne einer Vermutung nicht hinauskommt. Rechtsfehler liegen insbesondere im Falle einer Verurteilung vor, wenn das Gericht die tatsächlichen Beweisergebnisse, welche die möglichen Schlussfolgerungen tragen könnten, nicht mitteilt.
Rechtsfehlerfrei wurde vom Amtsgericht festgestellt, dass eine unverlangte Sendung aufgrund der hohen Menge ausgeschlossen werden kann. Das Amtsgericht geht jedoch auch zwingend davon aus, dass der Angeklagte die Bestellung tätigte. Dies ist fehlerhaft!
Zu dem Ergebnis kommt das Amtsgericht, da das Postfach dem Angeklagten zugeordnet werden kann. Die Sendung war mit dem Namen des Angeklagten versehen. Das ist für sich genommen ein starkes Indiz, dass der Angeklagte die Bestellung auch tätigte. Dennoch genügt dies nicht! Aus diesem Umstand darf nicht geschlussfolgert werden, dass der Angeklagte Täter ist. Es ist ebengleich eine bloße Teilnahmehandlung möglich. Wenn ein Täter das Betäubungsmittel nur zur (kurzfristigen) Verwahrung erhalten soll, ist gerade nicht zu erkennen, dass eben dieser Täter die eigene tatsächliche und freie Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel erhalten will.
Es wäre daher auch grundsätzlich in Betracht zu ziehen, dass die Betäubungsmittel nur zur kurzfristigen Verwahrung bedacht waren. Eine derartige Annahme kann widerlegt werden, indem der Angeklagte eventuell das Postfach erst kurze Zeit vorher erstellte, eventuelle Bitcoins erwarb und gegebenenfalls Geldbewegungen auf den Konten des Angeklagten zu erkennen sind.
In jedem Fall war der zwingende Schluss, dass der Angeklagte Täter ist, fehlerhaft, so dass das Urteil aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen wurde.
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