Mit Beschluss vom 24.September 2015 des 1. Strafsenats des Kammergerichts wurde der Sachrüge des Verurteilten gegen ein Urteil des Landgerichts stattgegeben und das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben – Az.: (1) 121 Ss 157/15 (15/15). Der Leitsatz lautet wie folgt und ist sehr interessant:
Zwar ist es nach der Rechtsprechung ausgeschlossen, zum Nachteil eines Angeklagten eine Blutalkoholkonzentration aufgrund von Messungen festzustellen, die mittels Atemalkoholtestgeräten vorgenommen worden sind. Die Ergebnisse einer Atemalkoholmessung, die erhebliche Beweisanzeichen für die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit darstellen, sind aber dann zu dessen Gunsten zu berücksichtigen, wenn andere verwertbare Ausgangsdaten für die Berechnung der Blutalkoholkonzentration nicht zur Verfügung stehen.
Damit der Angeklagten wegen einer Straftat verurteilt werden kann, muss u.a. die Schuldfähigkeit des Angeklagten festgestellt werden. Nach den §§ 20, 21 StGB kennt das Strafgesetzbuch verschiedene Begriffe: Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit. Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. In diesen Fällen ist der Täter nicht schuldig. Ist die Schuldfähigkeit aus einer der vorgenannten Gründe erheblich vermindert, so kann die Strafe gemildert werden.
Steht der Täter im Zeitpunkt der Tat unter massiver bzw. erheblicher Einwirkung von Alkohol, so ist grundsätzlich zu bemerken, dass die Frage der Schuld nicht ohne weiteres bejaht werden kann. Zu Lasten des Täters dürfen in der Regel nur Feststellungen gewertet werden, die in rechtsstaatlicher Weise erhoben wurden. Die Ergebnisse aus einer Atemalkoholmessung bedeuten nicht zwingend, dass der Täter unter der Wirkung von Alkohol stand. Diese Annahme kann erst dann getroffenen werden, wenn der Alkohol vom Konsumenten in dessen Blut aufgenommen wurde. Daher ist die Blutalkoholkonzentration stets ein klarer Beweis – sofern eine Blutprobe in rechtsstaatlicher Weise erhoben wurde. Zu Gunsten des Täters dürfen nach dem oben genannten Leitsatz auch die Ergebnisse einer Atemalkoholmessung gewertet werden, so dass der Täter eher in den „Genuss“ einer Strafmilderung gelangt.
Im zu entscheidenden Fall wurde vom Landgericht die Frage nach der verminderten Schuldfähigkeit verneint, so dass der 1. Strafsenat des Kammergerichts das Urteil des Landgerichts richtigerweise aufhob. Es bestanden erhebliche Beweisanzeichen, die zu Gunsten des Angeklagten Berücksichtigung hätten finden müssen.
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